Heftbeilagen 1960 bis heute …

Bildschirmfoto 2015-12-26 um 11.24.12Rechtzeitig vor den ruhigeren Tagen zwischen den Jahren ist bei mir das erste Magazin mit beigelegtem Computer eingetroffen. TheMagPi – The official Raspberry Pi magazine Issue 40 enthält als Beilage den Raspberry Pi Zero, das Ganze für £ 5.99. Dort wird auf Seite 15 denn auch gleich die Geschichte der digitalen Heftbeilagen illustriert, die von den flexiblen 8″-Disketten (mit 180 KB Speicherkapazität), später den 5,25″- und 3,5″-Disketten, über CDs bis zu den DVDs reichen.

Besonders die Computer-Magazine pflegten lange Zeit (manche bis heute) diese Unsitte, denn ich wette 95% dieser Beilagen wurden (hoffentlich wenigstens sachgerecht) entsorgt, ohne die Inhalte wirklich anzusehen und zu nutzen. Zum Glück reichen heute Links, über die bei Bedarf das Gewünschte heruntergeladen werden kann. Nun also ein ganzer Computer als Beigabe. Dass es in diese Richtung gehen wird, hatte ich bereits 2012 bei Jay Goldberg Hardware is dead gelesen; eine kritischer Ergänzung darauf dann bei Tomaž Šolc: On the death of Hardware.

publikationen00bDas MagPi-Heft hat mich daran erinnert, dass wir 1983 (!) eines der allerersten deutschsprachigen Lehrbücher mit beigefügter Diskette publiziert hatten (Wedekind & Wöhrmann: Populationsbiologie, Stuttgart: Ulmer Verlag). Damit sollte den Lesern das mühsame und fehleranfällige Abtippen der abgedruckten BASIC-Programmlistings erspart bleiben. Die Programme waren zur Arbeit mit den im Buch behandelten mathematischen populationsbiologischen Modellen notwendig.

LLC14Auch bei der Lehrerfortbildung Lehren und Lernen mit dem Computer (Wedekind et al., 1989 – 1991) waren den Fernstudienbriefen Disketten beigefügt, dann schon mit umfangreicheren Programmen für die Nutzung im Fachunterricht (Sprachen, Naturwissenschaften und fachübergreifende Anwendungen), die sowieso nicht mehr abgetippt hätte werden können.

Und heute? Würden wir vielleicht den Computer mitsamt Betriebssystem und Programmsammlung auf microSD-Karte ausliefern? Na, das wäre doch mal ein Ansatz für eine neue Lehrerfortbildung, ein MOOC mit KLOPS (KostenLoses Offenes ProgrammierSystem) …

PS: Zur Erinnerung: Es ist gerade mal 10 Jahre her, dass das OLPC-Projekt den 100$-Laptop XO1 vorstellte. Das war ein vollständiger Laptop, der allerdings dann doch noch deutlich über 100$ kostete; dem Pi Zero fehlt wiederum noch Monitor und Tastatur. Trotzdem, ein Kostenargument kann gegen den Vorschlag jedem Kind seinen eigenen Computer nun kaum mehr entgegen gehalten werden.

SimCity

SimCityWill Wright ist einer der berühmtesten Computerspiel-Designer. 1989 erschien sein erster weltweiter Erfolg, die Städtesimulation SimCity (für Amiga, C64, Atari ST, PC und Mac, später auch auf Spielkonsolen). Es war der Start für eine ganze Serie solcher Simulationen, etwa SimLife, SimEarth, SimAnt, SimFarm und später die Serie Die Sims. Die Spieler haben in diesen Programmen fast unüberschaubar viele Möglichkeiten, in das Spielgeschehen einzugreifen, Szenarien zu entwerfen und dadurch (weitgehend selbstgesetzte) Ziele zu erreichen. Obwohl es bei diesen Spielen keine Gewinner und Verlierer gibt, fesseln sie die Spieler über einen langen Zeitraum und über Fortsetzungsfolgen hinweg, besonders ersichtlich bei den Sims, für die es inzwischen zahlreiche Erweiterungen und Varianten gibt.

Bei SimLife, das 1992 erschien, kann z.B. ein Ökosystem simuliert werden, wobei die Spieler die Genetik der Tiere und Pflanzen, die die künstliche Welt bevölkern, selber festlegen und damit die Evolution des Gesamtsystems beeinflussen können. Ziel ist der Erhalt eines stabilen Ökosystems. So nimmt es nicht Wunder, dass es auch im Unterricht bei der Behandlung der Evolution eingesetzt wurde.

Interessant ist, dass der theoretische Hintergrund für die Modelle, die in diesen Simulationen verwendet werden, das Konzept des Künstlichen Lebens (Artificial Life) ist, bei dem Eigenschaften und Fähigkeiten lebender Systeme im Computer nachgebaut werden.  Die technische Umsetzung erfolgt mit Hilfe agentenbasierter Simulationen, bei denen Populationen von Individuen miteinander und mit ihrer Umgebung interagieren. Geeignete Werkzeuge dafür sind z.B. NetLogo und StarLogo TNG (von dem vor kurzem die Version 1.0 offiziell frei gegeben wurde), das durch die dort generierten 3D-Welten sich schon wieder in Richtung der Sim-Reihe entwickelt.

Noch mehr als ecopolicy sind die Programme der Sim-Reihe geeignet, komplexes Problemlösen und vernetztes Denken in spielerischer Form zu trainieren. Mich freut es deshalb sehr, dass SimCity von Electronic Arts für das OLPC-Projekt frei gegeben worden ist und damit auf dem XO-Laptop gespielt werden kann. Wer auch ohne XO heute noch SimCity spielen will, findet inzwischen freie Varianten wie lincity oder OpenCity.